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Die mathematische Fragestellung allein ist keineswegs
neu. Naive Anfragen Dritter nach der Lösung eines bestimmten Problems an
den großen Meister haben das Interesse des bereits erblindeten Leonhard
Euler geweckt.
Es handelte sich tatsächlich zunächst um eine relativ einfach
zu verstehende Angelegenheit.
In Eulers Hand
jedoch avancierte sie zu einer mathematischen Kostbarkeit, die an
Attraktivität bis auf
den heutigen Tag nichts eingebüßt hat, und dies gleich in mehrfacher
Hinsicht. Euler hätte in seinen kühnsten Träumen nicht zu denken
gewagt, dass dieses Thema einmal intimste Verbindungen zur theoretischen Physik
(Quantenphysik, Elektrodynamik), der drahtlosen Datenübertragung in
Netzwerken (wireless data transmission networks) sowie der hochsicheren
Verschlüsselung von Daten anlässlich ihrer Speicherung und
ihres Austausches auf elektronischer Basis (knapsack
cyphering) aufweisen sollte. - Wie sollte
er auch. Dass im Jahre 1993 an der Universität Ottawa (Kanada) Antoine
Zoghbi seine M.S.-Arbeit zu eben diesem Thema anfertigt, bekundet die hohe
Aktualität der Sache.
Neu, und zwar allerneuesten Datums, sind tiefliegende Einsichten und
insbesondere weitreichende Entdeckungen zahlreicher Verbindungen dieses
scheinbar lapidaren Themas zu anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen.
Worum geht es?
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Srinivasa Ramanujan
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PARTITIO NUMERORUM, der Titel einer auf das höchste geschätzten, in
lateinischer Sprache gefassten Abhandlung Leonhard Eulers, verrät in erster
Näherung die Richtung, in die wir segeln. Schlicht und ergreifend geht es
darum: auf wie viele Arten kann man eine (beliebige) natürliche Zahl
n als eine Summe ebensolcher natürlicher Zahlen darstellen? An die
Summanden selbst wie auch an deren Anzahl sind (zunächst) keinerlei
weitere Bedingungen geknüpft, es handelt sich um sog. unrestricted
partitions. Tatsächlich eine nicht gerade spannende Angelegenheit,
sollte man meinen. Dennoch liegt sie ihrer Natur nach auf der Hand, kann man
sich
doch alle natürlichen Zahlen dadurch entstanden denken, dass man
ständig einen einzigen Schritt wiederholt, nämlich die Addition der
Zahl eins, beginnend mit der eins. Es versteht sich von selbst, dass sich diese
gesuchte Anzahl (man beachte … auf wie viele Arten ...) mit der Wahl der
Zahl n ändert.
Damit wäre die Exposition des Themas in gröbster Näherung —
bis auf die noch
ausstehende Antwort auf die Frage nach eben dieser Anzahl — abgeschlossen,
wären
da nicht kleine Absonderlichkeiten, die zuweilen auch Experten erhebliches
Kopfzerbrechen bereiten.
Schickt sich jemand an, diese in den Raum gestellte Frage zu beantworten, dann
beißt er oder sie auf Granit. Für kleine Werte von n
lässt sich die Frage beantworten, wie gesagt für wenige kleine Werte.
Diese Liste wiederum aber bietet nicht genug Informationen, zumindest eine grobe
Vermutung darüber anzustellen, wie sich diese von n
abhängige Anzahl, nennen wir sie p(n), mit zunehmendem n
entwickelt. Auch eine längere Liste mit weiteren
Einträgen für p(n) nährt die Hoffnung auf Erfolg in
der Sache allerdings nicht. Genosse Computer kann hier nicht wirklich
helfen.
Der hocherfahrene Euler hätte wohl an dieser Stelle gesagt:
Müssen wir denn diese Anzahl aller möglichen Partitionen
auf einen Schlag bestimmen? Ahnte er die
Entwicklung von p(n)
gemäß dieser Tabelle?
- p(1) = 1
- p(2) = 2
- p(3) = 3
- p(4) = 5
- p(5) = 7
- p(6) = 11
- …
- p(9) = 30
- p(10) = 42
- …
- p(67) = erzeuge alle
möglichen
Zerlegungen und man hat die Zahl p(67)
- …
- p(100) = 190 569 292
- …
- p(1111) = 1 736 360 750 830 546
535 004 742
869 861 557
- …
- p(4711) = 881 783 350 948 258
368 256 358
636 852 732 514 927 982 297 763 739 886 702 179 398 736 002 751 >
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Diese Formel stammt nicht von Euler. Der indische Jüngling Srinivasa
Ramanujan hat ohne jede akademische Vorbildung gemeinsam mit der britischen
Mathematiklegende Professor
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Godfrey Harold Hardy
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Godfrey Harold Hardy (Trinity College Cambridge)
diese Formel entwickelt; später haben der US-amerikanische Mathematiker
Rogers und der Hamburger Mathematiker Hans Adolph Rademacher sie wesentlich
verfeinert. Verfeinert? Was heißt das in der Mathematik?
Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass diese Formel keineswegs ganzzahlige
Werte liefert, sie ist nur eine Näherungsformel für p(n),
allerdings mit der Güte an Genauigkeit, dass sich der Wert für p(100)
gemäß der Formel von dem tatsächlichen Wert für p(100) um
weniger als 1/100 unterscheidet! So genau können Näherungen auch sein.
Das meint … haben sie wesentlich verfeinert.
Mit der Anzahl p(n) allein hat man natürlich nicht die Zerlegungen
selbst zur Hand. Diese wiederum zu gewinnen ist eine weitere Oper in mehreren
Akten.
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Antoine Zoghby schreibt genau zu diesem Thema seine Diplomarbeit:
Zoghbi, A. (1993) Algorithms for generating integer
partitions,
M.S. Thesis, University of Ottawa
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Ivan Stojmenov
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Gemeinsam mit dem Betreuer seiner Diplomarbeit, dem serbischen Mathematiker
Professor Ivan Stojmenovic, hat er auf der Grundlage seiner Arbeit einen Text
zum Thema FAST
ALGORITHMS FOR GENERATING INTEGER PARTITIONS verfasst.
Antoine Zoghbi hat uns freundlicherweise seine Arbeit zur Verfügung
gestellt; er steht uns bei der Vorbereitung des Workshops
gerne zur Verfügung. Ivan Stojmenovic wollte es nicht glauben, dass sich in
Germany eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern damit
grundständig befassen will.
Der Inhalt von Antoine Zoghbis Thesis gibt uns den computertechnischen Teil des
TMSZ Workshops vor.
Wer noch nicht genug hat, für wen die Reise erst jetzt so richtig beginnt,
der lese unter den nachfolgenden Kapiteln weiter.
Für die anderen hier die üblichen Organisationsdaten zu dem Workshop.
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